Protest gegen die Ausrichtung der Mercedes Fashion Week auf dem Berliner Bebelplatz und dem Denkmal Bibliothek - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Public Affairs





 

Chanukka 5785




AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 07.07.2010


Protest gegen die Ausrichtung der Mercedes Fashion Week auf dem Berliner Bebelplatz und dem Denkmal Bibliothek
AVIVA-Redaktion

Der Künstler Michael Ullmans und mehrere Berliner Initiativen protestieren gegen die Verschleppungstaktik und Täuschung der Öffentlichkeit durch den Berliner Senat, die Bezirksverwaltung...




... Mitte und die VeranstalterInnen der Mercedes Fashion Week.


Mit der fünften Ausrichtung der Mercedes Fashion Week auf dem Berliner Bebelplatz vom 07. bis 10. Juli 2010 wird Micha Ullmans unterirdisches Denkmal "Bibliothek" aufs Neue für mehrere Wochen (incl. Aufbau- und Abbauzeiten) verdeckt. Die im Kontext des Platzes der NS-Bücherverbrennung konzipierte Skulptur, 1995 installiert zur Erinnerung an den ersten öffentlich inszenierten Terrorakt der Hitler-Regierung, wird dadurch wiederum verändert und zeitweise beschädigt. Beschädigt wird auch das Vertrauen der BürgerInnen in das verantwortliche Handeln ihrer demokratischen Institutionen.

Dem Berliner Senat, der Bezirksverwaltung Mitte, der Veranstalterfirma IMG und dem Hauptsponsor Mercedes ist seit mehreren Jahren bekannt, dass der Künstler Micha Ullman die kommerzielle Bespielung des Bebelplatzes und die Verdeckung seines Denkmals, das unter einer Glasscheibe leere Regale für 20.000 Bände zeigt, als Eingriff in sein Urheberrecht und als Beschädigung des Kunstwerkes ablehnt.

Seit vergangenem Herbst häufen sich diesbezügliche, in der Regel nicht beantwortete BürgerInnen-Beschwerden bei den Behörden. Einer Unterschriftensammlung des Berliner VVN-BdA folgte eine Öffentliche Sitzung des Petitionsausschusses des Abgeordnetenhauses und dessen Empfehlung, die Modemesse zu verlegen. Einen Offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister haben während der letzten Mode-Veranstaltung im Januar 2010 unter anderem Berlins Ehrenbürger Edzard Reuter, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, der Präsident der Humboldt-Universität und der Direktor des Deutschen Historischen Museums unterzeichnet.

Berliner BürgerInnen und StadtbesucherInnen sind dem Aufruf gefolgt, während der Modeveranstaltung das weltberühmte Denkmal unter dem Zeltdach zu besuchen und damit für seine Unversehrtheit zu demonstrieren. In der Folge kündigten die Behörden, PolitikerInnen, VeranstalterInnen und der Hauptsponsor an, der Bebelplatz werde nicht als bleibender Standort angesehen, man suche intensiv Alternativen.

In den Medien wurden diese Erklärungen als definitive Ankündigung des Umzugs der Modemesse gedeutet. Dem widersprach von Seiten des Bezirks und der IMG niemand. Das Ergebnis dieser Pressepolitik war die Täuschung der Öffentlichkeit. Bis April 2010 konnte die Bevölkerung davon ausgehen, der Konflikt zwischen der flächendeckenden Überdachung des Platzes und dem Kunstwerk, das mit ihm korrespondiert, habe sich erledigt.

Die Ende Mai in einer öffentlichen Sitzung des Bezirkswirtschaftsausschusses Mitte bekanntgegebene Ankündigung, im Juli 2010 und im Februar 2011 müsse die Mercedes Fashion Week weitere Male auf dem Bebelplatz stattfinden, ist als Teil einer fortgesetzten Verschleppungstaktik zu erkennen.
Das Argument, der einzige Alternativ-Standort "Straße des 17. Juni / Sowjetisches Ehrenmal" sei erst ab Sommer 2011 zu benutzen, überzeugt nicht. Auch gegen diesen Standort lassen sich praktische Einwände der VeranstalterInnen wie der Öffentlichkeit ins Feld führen, wie auch gegen die derzeit verworfenen anderen Standort-Optionen: Tempelhofer Feld, Washington-Platz, Schloss-Platz. Keine dieser Optionen erfüllt alle Kriterien ideal, jede ist mit Einschränkung aber durchaus geeignet und jedenfalls weniger problematisch als der Bebelplatz. Ausschluss-Kriterien werden bei der Verwerfung beliebig angewendet. Insbesondere wird kritisch angemerkt, ein nicht unbefristet verfügbarer Ort sei den VeranstalterInnen nicht zuzumuten. Zugleich gibt es die Überlegung, die Modemesse alternierend – im Winter unter Dach, im Sommer im Freien – stattfinden zu lassen. Auch dieser Ansatz weist darauf hin, dass es keinen glaubwürdigen Grund gibt, die Mercedes Fashion Week sogar noch im Februar 2011, ein weiteres Mal, auf dem Denkmal zur Bücherbrennung stattfinden zu lassen, wie ein Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung Mitte vom 17. Juni 2010 annonciert.

Gemeinsam mit dem Künstler Micha Ullman appellieren die Initiative Bebelplatz, der Berliner VVN-BdA, der Rat für die Künste, der BBK Berlin, das Aktive Museum und der Förderkreis Denkmal für die ermordeten Juden Europas an alle BürgerInnen Berlins, dem zuständigen Politiker Protestschreiben zu übermitteln: dem Berliner Finanzsenator Harald Wolf, der die Angelegenheit derzeit an den Bezirk zurückdelegiert, sich aber nicht aus der Verantwortung ziehen kann. Diese Mails sind zu schreiben an:
Harald.Wolf@senwtf.berlin.de

BürgerInnen und Berlin-BesucherInnen, denen die Achtung vor der Kunst, vor der Schönheit unserer Stadt und der Respekt vor dem historischen Gedenken Anliegen sind, werden gebeten dem Denkmal "Bibliothek" vom 7. bis 10. Juli 2010 zwischen 10 Uhr und 22 Uhr einen Besuch abzustatten und auf diese Weise ihrer Solidarität mit dem Künstler Ausdruck zu verleihen.
Der Berliner VVN-BdA kündigt an, daß gegen eine weitere, nach dem Juli 2010 auf dem Bebelplatz geplante Mercedes Fashion Week juristische Mittel eingelegt werden.

Weitere Infos und Kontakt:

Aktives Museum. Faschismus und Widerstand in Berlin e.V.

Berufsverband Bildender KünstlerInnen Berlin: info@bbk-kulturwerk.de

Förderkreis Denkmal für die ermordeten Juden Europas: info@holocaust-denkmal-berlin.de
Initiative Bebelplatz (Matthias Flügge, Monika Grütters, Thomas Lackmann, Christhard-Georg Neubert): initiative@bebelplatz.org

Rat für die Künste (SprecherInnen: Leonie Baumann und Kay Wuschek)

Berliner Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes – Bund der AntifaschistInnen


Public Affairs

Beitrag vom 07.07.2010

AVIVA-Redaktion